Die Bonbondose

25000 Kilometer mit dem Lloyd Alexander

Fotos: Gerhard Schammelt.

 

Quelle: Automobil 01.08.1959

Entnommen aus der Fahr mit Lloyd 01/2016

Wir nennen ihn die "Bonbondose". Das hat mit seinen immer wieder bewiesenen Qualitäten nichts zu tun. Der Lloyd Alexander TS, von derm hier die Rede sein soll, ist so etwas wie die Frühgeburt, denn er bagann sein bewegtes Dasein zu einem Zeitpunkt, als man von diesem heute so beliebten Kleinwagentyp offiziell noch nicht Kenntniss genommen hatte - als sogenanntes Nullserienauto. Er ist hellrot, und wo ihn die Sonne verbrannt und der Regen verwaschen haben, ist er ein wenig verblichen. Daher der Name. Bei seinen "offiziellen" Brüdern kann dieser Farbwechsel nicht mehr auftreten, denn ihr glänzendes Lackgewand ist im Ofen gebrannt, während die Bonbondose noch hinter verschlossenen Türen im Handbetrieb gespritzt wurde.

 

Kaum ein anderes Auto hat so viel Publicity gehabt. Man findet HB-EC 318 in fast allen Prospekten seines Typs und sah vor nunmehr einem Jahr sein Bild in den meisten deutschen und vielen ausländischen Zeitungen. Was hat er inzwischen alles erlebt und über welche Straßen sind seine flinken Räder gerollt! Er besuchte Filmateliers und Rennstrecken, flitzte an holländischen Grachten entlang, über die Cornichen von Monte Carlo, über französische Cols und parkte in strahlender Frühlingssonne am Genfer See. Eines kannte er nie: Ruhe. Eines bewies er: Ein moderner Kleinwagen ist ein vollwertiges Reisefahrzeug. Bequem, schnell und ausdauernd!

 

Einen Alexander TS sollte man nicht im landläufigen Sinn "einfahren". Er muß flott bewegt werden. Das heißt natürlich nicht: vom Fabrikhof weg mit Vollgas, sondern: niemals schwer ziehen lassen, lieber hochdrehen als würgen! Obwohl der Alexander TS ohne weiteres im vierten seiner vollsynchronisierten Gänge mit einer Mindestgeschwindigkeit von 30 km/h zu fahren ist, sollte man tunlichst bei 40 km/h herunterschalten und bleibe beim Beschleunigen ruhig bis 80 km/h im "Dritten". Der "Zweite" reicht von 10 bis 55 km/h. Dagegen ist in der ersten Jugend des Motors der Ölwechsel wichtig, und es kann nicht schaden, wenn man hier die vom Werk vorgesehenen Wechselzeiten verkürzt. Es wurde durchweg ein dünnes Motorenöl 10 W 30 verwendet und auch für die Getriebefüllung kein ausgesprochenes Getriebeöl der Viscosität 80 oder 90, sondern ein dickflüssigeres Motorenöl gewählt. In beiden Fällen ohne Zusätze.

 

Nach einer Laufzeit von 25000 Kilometern wurde das Triebwerk der Bonbondose zerlegt: es erwies sich als in allen Teilen tadellos, und es soll hier ausdrücklich betont werden, daß während dieser Fahrzeit nicht einmal die Ventile nachreguliert zu werden brauchten!

Das Kerzengesicht nach 25000 Kilometern. Wie im Lehrbuch: Der Isolator rehbraun, die Elektroden gleichmäßig grau.
Anläßlich einer Stippvisite in Hamburg schloß die Bonbondose rasche Freundschaft mit der Schlagersängerin Bibi Johns.

Während der ersten 10000 Kilometer wurde ausschließlich Normalbenzin getankt, später auf allen längeren Reisen, wo der Motor fast ohne Pause mit Vollgas laufen mußte, erhielt er sein Futter aus den blauen Aral-Säulen. Nicht etwa, weil er mit Normalbenzin zum Klingeln geneigt hätte - es zeigte sich nämlich, daß er mit Aral fast um einen Liter pro 100 km sparsamer ist, was mit dem höheren spezifischen Gewicht des Superkraftstoffes erklärt werden könnte. Die nunmehr vorgenommene Untersuchung zeigte unerwartet saubere Verbrennungsräume und auf den Kolbenböden stellenweise einen etwa 0,1 mm starken bräunlichen Belag, keine Spur von Ruß oder feuchter Kohle. Das Einlaßventil erwies sich als vollkommen sauber, während sich auf den Tellern der Auslaßventile der gleiche Belag angesetzt hatte wie auf den Kolbenböden.

 

Eine Abnutzung der Ventilschäfte oder ihrer Führungen war nicht festzustellen. Genau so tadellos präsentierten sich die Kolbenringe: kein Höhenspiel und rundherum vollkommen frei!

 

Im Gegensatz zu ihrem 19-PS-Vorgänger hat die Bonbondose niemals Kerzenschwierigkeiten  gekannt. Die beiden Beru 225er, die ihr auf dem Prüfstand von Meister Hochhaus den ersten Ton entlockten, sind heute noch tadellos und lediglich eine Elektrode mußte ein wenig nachgebogen werden.